Istanbul

Syrien, Ägypten oder doch Türkei?

Moment mal: Wollte dieser Typ nicht nach Südamerika reisen? Nein, wollte er nicht. Aber es hätte ihn ja niemand seine Route durch den nahen Osten bis nach Indien machen lassen, wenn er dies bereits im Vorfeld angekündigt hätte. Jetzt bin ich unterwegs und es kann mich keiner mehr aufhalten.

Gerne hätte ich das jetzt ernst gemeint. Mit Abstand wäre das mein bisher bester Streich geworden. Tatsächlich läuft jedoch alles nach Plan und ich freue mich unbeschreiblich drauf. Aufgebrochen bin ich am Sonntag morgen mit dem Fernbus von Konstanz nach Mailand in Italien. Meine weitere Reisplanung sah kurz zusammengefasst wie folgt aus:

Nachdem ich auf Grund einer viel zu langen Nacht die fünf-stündige Busfahrt durchgeschlafen habe, bin ich mit dem Zug zu meinem Hostel in „Saronno“ (irgendwo zwischen Mailand und seinem Flughafen) gefahren. Auch dort steckte mir die durchzechte Nacht (welche ich mit Packen und Freunde verabschieden verbracht habe) noch gehörig in den Knochen und so habe ich mehr oder weniger meinen gesamten ersten Tag verpennt. Naja, Mailand ist ja nicht gerade aus der Welt. Und in Saronno habe ich sowieso nur Bahnhof verstanden. Viel mehr gab es dort nämlich nicht.

Am nächsten Morgen (10.10.16) habe ich dann noch geschwind ein Hostel in Istanbul für später gebucht und dann habe ich mich auf den Weg gemacht.

Mein Zug zum Flughafen hatte reichlich Verspätung, aber ich habe es noch rechtzeitig zum Flughafen Malpensa geschafft und geraume Zeit später saß ich auch schon im Flieger nach Istanbul. Auf das richtige Aufbruchsgefühl warte ich noch immer. Aber die Vorfreude ist auf jeden Fall da.

Als ich gegen 15:00 Uhr den Atatürk Flughafen in Istanbul verlassen habe, konnte ich die Freude förmlich in mir aufkeimen spüren. Es war genau wie früher. Nichts hat sich verändert. Überall ruft, lärmt und hupt es. Einfach herrlich. Eine akustische Umarmung der feinsten Art.

Mit Metro und Straßenbahn bin ich dann bis „Sultanahmet“ (Hagia Sofia, Blaue Moschee, etc.) gefahren, da sich direkt dahinter schon mein „Nobel Hostel“ (das war tatsächlich der Name) befand. Die Ausstattung ist dem Namen zwar nicht ganz gerecht geworden, aber die Aussicht war durchaus jeden Cent wert. Mit Blick auf den Bosporus und die Blaue Moschee auf der anderen Seite.

Es dauerte nicht lange, bis sich auch schon der Hunger bemerkbar machte und mir unmissverständlich zu verstehen gab, dass er heute nicht geduldig sei. Ich hatte mich gerade mit einem netten Ägypter aus meinem Zimmer unterhalten, als dieser auf meine Frage nach etwas Essen nur meinte, er habe auch Hunger und würde mich mitnehmen. Das mit dem „Leute kennenlernen“ klappt auf jeden Fall schonmal ganz gut.

Meine Begleitung heißt Karim, 32 Jahre alt und kommt aus Kairo in Ägypten. Seit einigen Monaten versucht er sich in Istanbul als Arabischlehrer zu etablieren. Bisher hat er noch keinen Job gefunden. Wir fahren ein paar Stationen mit der Straßenbahn in ein belebteres Viertel, wo nicht die Touristen sondern Einheimische das Straßenbild prägen. Wie sich herausstellt ist „Einheimische“ in einem weiteren Sinne zu sehen, denn gegessen wird heute in einem syrischen Imbiss. Die gesamte Karte ist ausschließlich auf Arabisch und alleine die Preisangaben bringen mich auch nicht weiter. Karim hat mir ohnehin zu verstehengegeben draußen zu warten. Ich frage mich, wie so viele Menschen darin Platz haben können. Bevor ich noch zu einer Antwort komme, ist Karim schon wieder da und wir setzen uns an den einzigen freien Tisch am Rande der belebten Straße. Während wir warten kommen immer wieder mehrere kleine Mädchen vorbei und möchten Müll einsammeln oder Bonbons verkaufen – gegen eine kleine Spende. Karim gibt jedem von ihnen etwas Kleingeld und unterhält sich kurz mit ihnen auf arabisch. Er sagt sie kommen aus Syrien und tragen somit zum Einkommen der gesamten Familie bei. Überhaupt seien hier sehr viele Syrer. Wie viele Millionen es sind weiß er nicht genau, aber es sind Millionen. Und es ist wahr, mir ist auf meiner Fahrt durch die Stadt aufgefallen, dass im Gegensatz zu früher sehr viel auf Arabisch geschrieben steht. Karim meint das seien hauptsächlich syrische Geschäfte. Überhaupt findet er diesen Krieg ganz schrecklig. Generell die Politik in den arabisch geprägten Ländern. Obwohl er bisher hier keinen Job gefunden hat, sieht er in der türkischen Wirtschaft und Politik viel mehr Potential als in seiner Heimat. Er meint die Perspektivlosigkeit sei grauenhaft. Das glaube ich ihm aufs Wort. Zu Essen gibt es jeweils zwei Yufka-ähnliche Teigrollen zum Dippen in einer weißen Soße, dazu Pommes. Wirklich sehr lecker. Würde sich sicher auch in Deutschland verkaufen. Karim frägt, ob es bei uns auch viele syrische Restaurants gibt. Ich kenne keines, überhaupt hatten wir bis vor kurzem wenig Syrer im Land und bei uns ist es nicht leicht ohne Vorwissen und Kapital ein Geschäft zu eröffnen. Das hält Karim allerdings nicht davon ab weiter von Deutschland zu schwärmen. Er möchte unbedingt mal nach Deutschland. „Because Mrs Merkel is good politics.“ Seltsamerweise ist er schon der Dritte, der mir das sagt und ich bin erst seit zwei Tagen unterwegs.

Karim hat mein gesamtes Essen gezahlt. Er war nicht davon abzuhalten. Danach hat er noch Getränke gezahlt und ebenso die Rückfahrt mit der Tram übernommen. Sehr sympathischer Kerl. Zum Abschluss schlendern wir noch kurz über den Platz vor der Blauen Moschee, wo ich anschließend nochmal kurz reingehe. Karim bleibt draußen. Er meint er geht ja sowieso jeden Tag hin und dann aber nur zum Beten. Wir schießen noch kurz ein gemeinsames Foto und dann kehren wir zurück zum Hostel.

Noch einmal, sehr sympathischer Kerl dieser Karim. Leider bin ich in Istanbul nur auf der Durchreise. Deshalb muss ich mich auch schon wieder von dieser Stadt verabschieden. Ich laufe runter zur Uferpromenade und setze mich auf einen großen Stein mit Ausblick auf die rot erleuchtete Brücke. Einen Augenblick teste ich den Gedanken meine Planung über den Haufen zu schmeißen und von hier weiter übers Land zu fahren. Allerdings merke ich, dass Südamerika doch einen stärkeren Reiz auf mich ausübt. Glück gehabt. Als ich zurück komme ist es stockdüster und allerhöchste Zeit ins Bett zu gehen.

Dienstag, 11.10.16, 06:00 Uhr – Mein Wecker klingelt. Laut meinen Berechnung muss ich ca. in dreißig Minuten das Hostel verlassen und dann etwa eine Stunde mit der Metro fahren um ein bisschen weniger als 2 Stunden vor meinem Flug am Flughafen zu sein. Gemütlich packe ich also mein Zeug ohne die anderen aufzuwecken. Gerade als ich das Hostel verlassen möchte, kommt mir eine Angestellte mit frischen Brötchen entgegen. Irgendetwas stimmt hier nicht. Sagte man mir nicht das Frühstück wäre erst ab 8:00 Uhr? Ich denke mir nicht viel dabei, doch als ich dann in der Tram auf die Armbanduhr meines Nebensitzer schaue, kommt es mir plötzlich. Es ist tatsächlich 7:40 Uhr. Und zwar wurde meine Uhrzeit am Handy auf Grund der manuellen Netzwahl nicht aktualisiert. Somit war ich eine Stunde in Verzug.

Glücklicherweise habe ich mein Flugticket bereits in Mailand bekommen und konnte einfach durchlaufen. Pünktlich zum Boarding war ich dann am Gate und es konnte losgehen. Auf zum anderen Ende der Welt!

Ich schreibe diese Zeilen nun ziemlich genau 13 Stunden später. Gerade stehen wir in Sao Paulo, Brasilien und warten, dass das Flugzeug für den Weiterflug vorbereitet wird. Das wars dann erstmal für den Anfang meiner Reise. Anbei findet ihr noch einen kleinen Zusammenschnitt von ein paar Videos. Weitere Infos aus Buenos Aires folgen in der nächsten Zeit.

2 Gedanken zu “Istanbul

  1. Coucou fiston,
    du bist jetzt dort angekommen wo Du hinwolltest. Hat geklappt alles unterwegs, wunderbar, und ich bin etwas beruhigt.

    Ich finde du das das zeug zum schreiben. Reisereportage, das scheint dir zu liegen. Lese dich gerne. Dein sonorisches und gefühlfsvolles wiedersehen mit istambul, mit der Umarmung der feinsten Art , das hat mir gefallen . konnte es sogar hören. Auch dein zusammenkommen mit Karim, man spürt ist viel Gefühl dabei.
    Remi pur. Klasse.

    Lerne aber auch neue seiten an dir. Dass es für dich höchste Zeit ins Bett zu gehen wenn es dunkel ist…war mir jetzt neu :-))

    Siehst, ich lese alles ganz genau!
    Tu es au bout du monde et pourtant si près, grâce à ton blog. Merci!

    Je t‘ embrasse et bon voyage…
    Catherine, ta maman

    Gefällt 2 Personen

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