Iruya

In einer anderen Welt

Musik bringt Menschen einander näher. Das habe ich gemerkt, als ich dem deutschen Pärchen in meinem Hostel ein paar Griffe auf der Gitarre gezeigt habe und wir daraufhin ein wenig ins Gespräch gekommen sind. Normalerweise halte ich von meinen Landsleuten ja weitestgehend Abstand, doch wenn mir jemand sympathisch erscheint, mache ich da gerne eine Ausnahme. 

Ich hatte mich zuvor beim Kochen bereits mal mit den beiden unterhalten, wobei sie mir von ihrer Idee erzählten, ein Auto mieten zu wollen, um die umliegenden Bergtäler auf eigene Faust erkunden zu können. Von Florian, dem französischen Studenten aus Buenos Aires, wusste ich, dass dieser nur ein paar Tage zuvor in Salta genau das getan hatte und erfragte bei ihm deswegen mal zu welchen Konditionen und wo er einen Leihwagen bekommen hatte. Sobald ich eine Antwort erhalten hatte, leitete ich deren Inhalt weiter und sie verglichen das mit den vorhandenen Angeboten in Jujuy. 

Nach dem Gitarre spielen eröffneten mir die beiden, dass sie schließlich einen Mietwagen zu passablen Konditionen gefunden hatten und dieser ihnen in zwei Tagen für einen Tag zur Verfügung stehen würde. Sie erklärten mir, dass sie an diesem Tag einmal die Quebrada de Humahuaca hoch- und wieder runterfahren wollten. Dabei handelt es sich um ein hochgelegenes Tal, welches sich auf der Nord-Süd-Achse über 230 Kilometer von Jujuy bis Bolivien erstreckt. Es ist vor allem für seine Gebirgslandschaft bekannt, die sich durch das bunte Farbspiel der wechselhaften Gesteinstönungen auszeichnet. Desweiteren finden sich in dieser, mir als lebensfeindlich erscheinende Region eine erstaunliche Dichte an indigenen Kommunen, die nach wie vor ihrem traditionellen Lebensstil nachgehen. Und zu guter letzt hat die Quebrada de Humahuaca auch historisch so einiges zu bieten, denn neben prähispanischen und -inkaischen wurden hier auch relikte ganz frühzeitlicher Zivilisationen gefunden, weswegen der Region 2003 der Status des UNESCO Weltkulturerbe verliehen wurde.   

Wie die beiden Deutschen, bin auch ich nach Jujuy gekommen, um von dort aus dieses Tal besuchen zu können. Jedoch wollte ich mir bei der Besichtigung und Erkundung mehre Tage Zeit geben. Deswegen fragte ich die beiden, ob sie mich nicht mitnehmen könnten, um mich dann am nördlichsten Punkt ihrer Tour abzuladen. Anschließend würde ich mir auf dem Rückweg mehr Zeit lassen können, um all das zu sehen, was ich mir vorgenommen hatte. Langfristig wollte ich ohnehin gen Süden ziehen, um nach Mendoza und schließlich nach Valparaiso in Chile zu gelangen. 

Sie hatten mir direkt zugesagt. Zwei Tage später lade ich, noch etwas schlaftrunken, morgens mein Gepäck in ihren kleinen Mietwagen und wir setzen uns direkt in Bewegung. Eigentlich wollte ich vor meiner Erkundungstour noch etwas schreiben und mich etwas mehr über die Quebrada informieren, doch so eine Gelegenheit darf man einfach nicht ausschlagen. Zudem befinden ich mich in mehr als angenehmer Gesellschaft. 

Jasmin und Florian kommen aus Schwerin und sind nach der Schule nach Hamburg gezogen, wo die beiden noch bis vor kurzem beruflich fest eingebunden waren. Dann haben sie alle Seile gekappt, um sich ihren Traum einer Südamerikareise verwirklichen zu können. Nun reisen sie wie ich für mehrere Monate über den Kontinent und lassen sich von ihm begeistern. Bei ihrer Rückkehr nach Deutschland würde Florian gerne nach Berlin ziehen, wie er mir erzählt, und eine Karriere als DJ versuchen, die unter dem Pseudonym „Werner“ bereits begonnen hat. 

Nachdem wir die Stadt hinter uns gelassen haben, zieht sich die kurvige Straße entlang eines Flusses langsam in die Höhe. Eigentlich müsste man eher von einem Flussbett mit kleinem Rinsal sprechen, doch die breite verkieste Fläche weist daraufhin, dass sich das kleine Bächlein je nach Wetter und Jahreszeit auch mal von einer anderen Seite zeigen kann. 

Relativ zügig verwandeln sich auch die Hügel in richtige Berge und büßen nach und nach immer mehr von ihrer anfänglichen Begrünung ein. 

Mit dem Rückgang der Vegetation stellt sich allmählich das typische Bild dieser Bergregion ein. Die trockenen Bergflanken sind von tiefen Furchen überzogen, die ein ums andere mal die mechanische Wirksamkeit großer Wassermassen unter Beweis stellen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich außerdem, dass die Umliegenden Berge zumindest oberflächlich gar nicht aus festem Gestein bestehen, sondern einfach nur große Massen fest verdichteter Sedimente sind. Ganz einfach große Ansammlung aus grauem oder braunem Schlamm. 

Nach etwa zwei Stunden Fahrt legen wir eine erste Pause ein und laufen ein paar Schritte. Wir befinden uns nun schon auf über 2000 Höhenmetern und ich bin nicht der einzige, der sich von der atemberaubenden Kulisse schwer beeindrucken lässt. Der Fluss speist hier im flachen Teil des Tals noch immer viele feucht grünende Pflanzen, als würde er bewusst einen Gegenpol zu dem trockenen grau-braun seiner Umgebung bilden wollen. 

Bevor wir wieder weiterfahren, begebe ich mich noch kurz auf die andere Straßenseite, wo ein einsamer Esel steht und über mein Erscheinen ein Maß an Gleichgültigkeit ausstrahlt, dass von einem Baum nicht hätte übertroffen werden können. Als ich ihm so nahe stehe, dass ich in seine großen, schwarzen Augen sehen kann, wendet er sich mir doch kurz zu und lässt sich leicht die Stirn streicheln. Seine Bewegungen sind ganz langsam und sanft. Er strahlt damit eine Ruhe aus, die man sonst nur von Buddhistischen Gelehrten kennt, die bereits erleuchtet wurden. Das hätte ich von einem Esel nicht erwartet. 

Genug Tieresotherik für heute. Wir setzen uns wieder ins Auto und führen unsere Reise fort. Wir unterhalten uns ein wenig über die DJ-Szene in Deutschland und dabei stellt sich heraus, dass Florian und ich große Fans von „Alle Farben“ sind. Daraufhin versuchen wir per Bluetooth eine Verbindung zu unserem Autoradio aufzubauen, scheitern jedoch kläglich an dieser vermeintlich leichten Aufgabe. Wenn wir also Musik hören wollen, müssen wir das nehmen, was kommt, und landen schlussendlich bei schäppernder Cumbia, die über die Lokalen FM-Stationen verteilt wird. Südamerika ist ein Kontinent voller wundervoller Musikstile und Traditionen, aber an die Cumbia werde ich mich wohl nie gewöhnen können. 

Bei unserer zweiten Pause besteigen wir einen kleinen Kiesberg, um eine bessere Aussicht zu bekommen. Wir haben wieder einiges an Höhe gewonnen und man spürt, dass die Luft so langsam dünner wird. Außerdem wäre es bei diesem Sonnenschein wahrscheinlich deutlich wärmer, wenn wir uns nicht so hoch befinden würden. Hier wird gerade eine große Brücke über das Flussbett gebaut, doch was unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist nicht von Menschenhand geschaffen. Wir schauen auf einen Berg, der sich durch sein tiefrote Färbung von allen umliegenden Formationen deutlich abhebt. Auch wenn dies schon länger der Fall war ist es nun amtlich: Willkommen in der Quebrada de Humahuaca. 

Als wir wieder weiterziehen übernimmt Jasmin das Steuer und erzählt mir, dass sie von einem Dorf namens Iruya gelesen habe, das sie gerne besuchen würde. Es liege weit abseits des Haupttals und sei dadurch für Touristen schwerer zu erreichen, woraus resultiert, dass es sich nach wie vor in einem recht ursprünglichen Zustand befindet. Sie sagen mir, dass sie bis dorthin fahren und dann den Rückweg antreten werden, da der Wagen am Abend wieder in San Salvador de Jujuy sein muss. Bis dorthin möchte ich auf jeden Fall noch mitkommen und dann vor Ort entscheiden, ob ich dort verweilen oder wieder zurück zur Hauptstraßen mitgenommen werden will. 

Einen Augenblick später verlassen wir nach 150 Kilometern die gut geteerte Straße und biegen auf einen üblen Schotterweg Richtung Iruya. Es sind bis dorthin nur 45 Kilometer, aber benötigte Fahrzeit wird mit grob 1,5 Stunden angegeben. Da weiß man schon in etwa, was für eine Straße uns erwartet. Ob der kleine Renault Clio das packt? 

Die Straße schüttelt uns so richtig durch und wir kommen nur langsam voran, aber wir haben unseren Spaß daran. Bereits nach ein paar Minuten kommen wir an einem ersten kleinem Dorf vorbei, Iruya ist es jedoch nicht. Ich weiß nicht wie die das hier machen, aber sie schaffen es tatsächlich in dieser trockenen Einöde etwas wachsen zu lassen und ihre Felder zu bewirtschaften. Vermutlich würde man das Dorf auch gar nicht bemerken, wenn dies sich nicht durch sein grün vom Rest abheben würde. Die Häuser und Hütten sind nämlich aus dem gleichen porösen Gestein gebaut, das sie umgibt, und heben sich farblich überhaupt nicht von ihrer Umwelt ab. 

Die Straße zieht sich immer weiter nach oben und so langsam macht uns die Tankanzeige des Autos ein wenig Sorgen. Schließlich müssen die Beiden damit auch noch wieder zurückkommen; eine Tankstelle können sie in Iruya mit Sicherheit nicht erwarten. Aber auch uns Menschen geht so langsam der Sprit aus. Da die Luft nun merklich dünner wird, machen wir unterwegs wieder eine Pause, um ein wenig durchzuatmen und die Aussicht auf die immer mondähnlicher werdende Landschaft zu genießen. 

Auf etwa halber Strecke verlassen wir die Provinz Jujuy und befinden uns fortan auf zu Salta zugehörigem Boden. Iruya gehört zu letztgenannten Provinz, ist jedoch nur von Jujuy aus zu erreichen. Für mich ist das mal wieder ein Beweis dafür, dass Willkür und Grenzen eigentlich Synonyme sein sollten. Gleichzeitig markiert dieser Punkt jedoch auch den höchsten Ort unserer Reise nach Iruya. Die Grenze verläuft über einen Pass, der unglaubliche 4000 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Als wäre die Höhenluft nicht schon schwer genug zu ertragen, raubt uns die Aussicht an diesem Punkt dann endgültig den Atem. 

Wie habe ich die Berge nur vermisst. Die lange Reise im Flachland Südamerikas hat mit diesem Ausblick endgültig ein Ende genommen. Für mich fühlt es sich so an, als würde damit ein neues Kapitel beginnen. 

Anschließend geht es wieder bergab und die Straße hält die eine oder andere gefährliche Stelle für uns bereit. Im Großen und Ganzen bringt Jasmin uns aber gut durch den schwierigen Teil der Strecke, bis diese auf ein tief eingeschnittenes Flussbett trifft und seinem Verlauf folgt. Man sieht der Straße an, dass deren benutzer mit regelmäßigen Hangrutschen zu kämpfen haben, aber zur Zeit sind alle Stellen passierbar und der kleine Clio kämpft sich wacker durchs Gelände. 

Ein paar Minuten später ist es dann so weit. Von weitem können wir einen ersten Blick auf Iruya erhaschen. In mitten dieser rauen Landschaft strahlt die Gelb-Blau bemalte Dorfkirche mit aller Kraft und lockt uns förmlich zu sich. Ich habe selten so ein schönes Bergdorf gesehen. 

Als wir im Dorf ankommen suchen wir uns einen Parkplatz und drehen eine Runde zu Fuß. Es ist größer und touristischer als ich dachte, aber seinem Flair kann das tatsächlich nichts anhaben. Iruya liegt tief verkeilt zwischen steilen Bergflanken und zieht sich auf beiden seiten des Flusses weit nach oben. Die teils bestuften Straßen und verwinkelten Gassen sind mit großen Steinen bepflastert. Viele Häuser stehen ein wenig schief und vor allem bei deren Türen fällt mir auf, dass diese sehr tief sind. Das hat auch einen Grund. 

Iruya liegt auf 2780m über dem Meeresspiegel und hat grob eintausend Einwohner. Deren Vorfahren haben das Dorf vor rund zweihundertfünfzig Jahren gegründet; auch wenn viele Ruinen und archeologische Funde darauf hinweisen, dass die Gegend mindestens ein Jahrhundert vorher schon dauerhaft bewohnt wurde. Ethnisch sind die Einwohner Irushas direkte Nachfahren der Inkas und haben sich, nicht zuletzt durch die geographische Isolation, bis heute viele Bräuche und Traditionen ihrer Ahnen bewahrt. Dazu gehört die sogenannte „Trueque“, ein traditionales Tauschsystem, bei dem ausschließlich mit Gütern und Dienstleistungen gehandelt wird. Wenn ich also das Lama meines Nachbarn „kaufen“ möchte, muss ich ihm dafür versprechen sein Kartoffelfeld umzupflügen; ganz vereinfacht gesagt. Erst der weiße Mann brachte dann die Idee mit dem Geld als Mittler zwischen Werten und da Iruya bis zur Erschließung durch den Tourismus ziemlich autag funktionierte, findet der Tauschhandel bis heute noch Anwendung. 

Die Türen der Wohnhäuser sind ganz einfach so klein, weil man keine größeren braucht. Ich muss jetzt eine Schätzung abgeben, aber ich würde sagen, dass die andorrine Bevölkerung selten mehr als 1,60 Meter misst. Charakteristisch sind auch die glatten, im Licht glänzenden schwarzen Haare der Leute und ihre gegen alle Wetter geweihte braune Haut. Die typische Art sich einzukleiden, wie ihr sie auf dem obigen Bild sehen könnt, ist übrigens nicht nur ein Klischee, sondern noch immer Gang und Gäbe. Allerdings muss ich hinzufügen, dass nur die Frauen diese spezielle Tracht tragen. Männer tragen an und für sich Hemd und Hose, wie der ganze Rest der Welt auch. 

Als wir am Dorfplatz vorbeikommen, scheinen die Bewohner dort gerade eine Zeremonie abzuhalten. Jemand spricht ununterbrochen für mich Unverständliches durch ein Mikrofon und alle dreißig Sekunden gibt es dafür vom gespannt horchenden Publikum Applaus. Von der gesamten Aufmachung habe ich das Gefühl, dass es um eine Verlosung geht, aber der reich mit Blumen geschmückte Altar spricht für etwas anderes. 

Wir beschließen schließlich in einem Restaurant etwas Essen zu gehen. Für erstaunlich wenig Geld gibt es dort regionale Kost und wir lassen es uns schmecken. Schonmal ein Steak vom Lama gegessen? Macht nichts. Ich hätte es mir auch spezieller vorgestellt. 

Nach dem Essen führen wir unsere Runde durchs Dorf noch etwas fort und laufen einige kleine Gassen ab. Da die anderen bald wieder zurück müssen, habe ich entschieden eine Nacht hierzubleiben, um noch mehr von Iruya sehen zu können. Kurze Zeit später verabschieden wir uns auch schon und ich bedanke mich für den gemeinsamen Ausflug, sowie die nette Gesellschaft. Die Beiden nehmen morgen den Bus mach Bolivien und werden dann weiter gen Norden ziehen. Gute Reise, Jasmin und Florian, es war mir eine Ehre! 

Mit meinen Sachen laufe ich nun zu einem Hostel direkt neben dem Dorfplatz und klopfe an der Tür. Nach einiger Zeit öffnet mir eine sehr alte, kleine Dame und sieht mich so verdutzt, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob ich an der richtigen Türe geklopft habe. Nach meiner Frage, ob es hier freie Schlafmöglichkeiten gäbe, bittet sie mich allerdings herein und verschwindet sofort in der Küche. Ich warte einige Minuten, bis sie wieder herauskommt und mir ein Gästebuch entgegenstreckt. Diesmal lächelte sie. Danach beziehe ich mein Zimmer und gehe direkt wieder nach draußen, um meine Erkundungstour fortzusetzen. 

Ich möchte erstmal einen guten Überblick bekommen und so laufe ich die steilen Gassen nach oben, bis ich einen geeigneten Aussichtspunkt finde. Während dem Aufstieg bekomme ich die Höheluft deutlich zu spüren und die Sonne tut ihr übriges, aber was ich dann zu sehen bekomme, war alle Mühen wert. 

Ich befinde mich an einem Aussichtspunkt direkt über dem Dorf und staune über die Größe Iruyas. Es erstreckt sich über beide Seiten des Flusses. Anbei seht ihr den Dorfkern mit Kirche, Dorfplatz und allen wichtigen Geschäften fürs tägliche Leben. Viele Häuser und Dächer wirken erstaunlich modern und weisen für mich daraufhin, dass der Tourismus floriert und ganz gut Geld einbringt. Man sieht außerdem den Verlauf des Flusses und wie dieser sich eine scharfe Schneise durch den porösen Untergrund schneidet, auf dem Iruya gebaut ist. 

Die andere Seite des Flusses ist über eine lange Hängebrücke erreichbar und sieht für mich mehr nach einem residentialen Viertel aus. Besonders erstaunlich ist der große Fußballplatz, der womöglich die einzige Flache ebene dieser Größe im Unkreis von fünfzig Kilometern ist. In Argentinien spielt es scheinbar keine Rolle, ob man direkter Nachfahre der Inkas oder italienischer Nachfahren in Buenos Aires ist. Fußball gehört zum Leben dazu. 

Die andere Seite des Dorfes möchte ich mir nun ebenso ansehen, also steige ich wieder herab, durchquere den Dorfkern, sehe mir kurz die in gelb erstrahlende katholische Kirche an und laufe dann über die Hängebrücke. Diese ist so schmal, dass es unmöglich ist sie mit dem Auto zu passieren. Mit einem größeren Fahrzeug auf die andere Seite Iruyas zu gelangen ist also nur möglich, wenn der Fluss so wenig Wasser führt, wie es gerade der Fall ist. Ansonsten muss man eben laufen und alles tragen oder sich mit einem Esel aushelfen. 

Auf dem Fußballplatz spielen gerade ein paar Kinder, als ich daran vorbeikomme. Über eine große Treppe komme ich weiter nach oben und von nun an geht es nur noch durch kleine Gassen und Trampelpfade voran. Eine von ihnen zieht sich bis ganz nach oben und ich folge ihr, um auch von dieser Seite eine gute Aussicht zu bekommen. Die Häuser hier sind kleiner und teils in nicht ganz so gutem Zustand, wie das auf der anderen Seite des Flusses der Fall war. Aus vielen Vorgärten höhrt man gackernde Hühner und das Bellen der Hunde, aber Menschen bekomme ich hier kaum zu Gesicht. 

Nachdem ich das wundervolle Titelbild dieses Artikels geschossen habe, trete ich den Rückweg an. Die Sonne wirft bereits lange Schatten und und eine frische Brise macht sich breit. 

Bevor ich zum Hostel zurückkehre, kaufe ich mir ein Fladenbrot und etwas Aufstrich. Zum Abendessen genieße ich den Sonnenuntergang auf der Dachterasse während ich in Gedanken an viele neue Eindrücke des heutigen Tages schwelge. Als kein Sonnenstrahl mehr den Talboden erreicht wird es dann richtig kalt und ich verziehe mich nach innen. 

Von meinem Zimmer aus kann ich direkt auf den naheliegenden Dorfplatz blicken. Die Aufbauten der mittaglichen Zeremonie sind mittlerweile verschwunden und die Leute scheinen jetzt zu einem gemeinsamen Abendessen zusammenzukommen. Es wirkt, als würde sich das gesamte Dorf um große Töpfe drängen, aus denen für jedermann schön dampfende Speisen geschöpft und gemeinsam verköstigt werden. Die kleinen Kinder spielen zusammen mit den jugendlichen und die anderen Unterhalten sich und lachen sehr viel. 

Es ist ein idyllische Szene, doch ich fühle mich an meinem Platz als Beobachter nicht ganz wohl. Mir stellt sich die Frage, ob ich überhaupt ein Anrecht darauf habe hier zu sein und den Bewohnern Iruyas beim Leben zuzusehen. Ob es richtig ist, sich deren Dorf anzusehen, um alle Charakteristika und Traditionen zu untersuchen. Ist das nicht wie in einem menschlichen Zoo? 

Damals wusste ich nicht so richtig, wie ich damit umgehen sollte und habe mir dewegen noch am gleichen Abend ein Busticket für die Rückkehr in die Quebrada de Humahuaca gekauft. Heute weiß ich, dass Kultur grundsätzlich etwas ist, dass man teilen kann. Allerdings funktioniert das nur auf Augenhöhe und einem Höchstmaß an Respekt. 

Das ist also, die Geschichte davon, wie ich von San Salvador de Jujuy bis in das kleine Bergdorf Iruya gelangte. Ich kann euch sagen, dass es nach einem so ereignisreichen Tag nicht schwer ist in den Schlaf zu finden. Um den ganzen Tag ein wenig abzurunden, möchte ich euch noch ein Set von Florian a.k.a. Werner präsentieren. Ihr könnt ja mal reinhöhren, wenn euch das interessiert. 

4 Gedanken zu “Iruya

  1. In dem argentinischen Film „Wild Tales- Jeder dreht mal!“ oder im Original „Relatos salvajes“, spielt eine Szene, in einem der sechs Kurzfilme, auf der Straße von Jujuy nach Purmamarca. In dem Film habe ich die Straße wiedererkannt auf der ich einen Mietwagen vor drei Jahren gefahren bin ;). Also es lohnt sich finde ich alleine deswegen schon den Film anzuschauen.

    Liebe Grüße Mo 🙂

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  2. Hi Rémi, Wieder ein toller und spannender Blog! Wann war denn das eigentlich?  Ganz liebe Grüße und Umarmung aus München. Lisa
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