Eine kleine Unterrichtseinheit
Nach einer zweiten fast durchzechten Nacht habe ich es nach Posadas im Norden Argentiniens geschafft. Hinter mir liegen sechshundert aufregende Kilometer, die ich größtenteils mit einem netten Bierlieferanten zurücklegen konnte. Am Morgen hat mich dieser in der Peripherie abgesetzt und ich habe mich auf den Weg in die Stadt gemacht.
Ich bin müde und verspüre das dringende Verlangen nach einer Dusche und etwas Schlaf. In den letzten zwei Tagen habe ich nur rund drei Stunden geschlafen und das merke ich jetzt deutlich. Da ich in letzter Zeit auch kein Internet hatte, kann ich mich bei der Suche nach einer Unterkunft nur auf meinen Reiseführer verlassen. Dort habe ich ein einziges Hostel gefunden und hoffe, dass es diesmal auch existiert. Von meinem Standort bis ins Stadtzentrum sind es allerdings noch rund fünfzehn Kilometer und die möchte ich definitiv nicht laufen. Mein Plan sieht also vor bis auf die richtige Zufahrtsstraße zu kommen und dann auf einen gütigen Fahrer zu hoffen.
Das Klima ist hier bereits sehr tropisch und die Erde braunrot. In den Vororten gibt es keine befestigten Straßen, doch die Armut scheint sich in Grenzen zu halten. Posadas ist die Hauptstadt des Bundesstaates Misiónes und befindet sich an der Grenze zu Paraguay.
Als ich durch die Vororten laufe, komme ich an einer Schule vorbei. Hier wird gerade der Morgenappel durchgeführt. Während die Rektorin durch ein viel zu lautes Mikrofon ihre morgendliche Predigt hält, müssen die Klassen in Reihe und Glied stehen. Es scheint sich kaum jemand dafür zu interessieren, doch am Ende der Rede fängt die gesamte Schule an im Rhythmus zu klatschen. Die Gruppendynamik sorgt wieder ordentlich für Stimmung und danach wird die Nationalhymne gesungen. Zumindest glaube ich das, ganz sicher bin ich mir nicht. Auf jeden Fall wird mir klar, dass die Schüler in ihren weißen Kitteln einen grundsätzlich anderen Schulaltag kennen, als wir es zu Hause gewohnt sind. Im Anschluss werden noch die Flaggen gehisst und die Schüler gehen in ihre Klassenzimmer. Stillstehen und Singen sind meiner Meinung nach nicht der richtige Weg die neue Generation zum Nationalstolz zu bewegen. Allerdings ist mir auch durchaus bewusst, warum wir Deutschen diese Einstellung pflegen. Dennoch freue ich mich über das Erlebnis und gehe weiter meines Weges.
Auf der Hauptstraße angekommen, suche ich mir eine halbwegs gescheite Stelle und hoffe auf eine Mitfahrgelegenheit. In urbanisierten Gebieten ist das keine leichte Sache, doch meine argentinischen Geldreserven befinde sich in meinem Rucksack ganz unten und so müsste ich erstmal alles auspacken, um einen Bus bezahlen zu können. Da war mal wieder jemand schlecht organisiert.
Dennoch werde ich dadurch nicht abgestraft, denn schon ein paar Minuten später hält ein junger Mann, der mich ein paar Kilometer stadteinwärts bringen kann. Er drückt mir sofort seinen Mate in die Hand und wir fahren los. So langsam bestätigt sich mein Gefühl, dass die Leute ohne dieses Getränk nicht leben können. Allerdings kann ich es auch gut leiden, denn das kurze Trinken und Weiterreichen hat etwas sehr soziales an sich. Während wir uns ein wenig unterhalten, unterbricht mich mein Fahrer immer wieder. Wie aus dem nichts grölt er ständig ein paar Worte zu seiner Musik aus dem Radio mit. Es ist eine skurrile Situation, doch ich erfreue mich daran.
Bevor ich aussteige, kauft mir mein Fahrer an der Ampel ein paar Chipas (Gebäck mit Butter und Käse) und erklärt mir den Weg mit dem Bus zu meinem Hostel. Ich habe allerdings kein Geld und laufe sowie lieber. Auch wenn es bei der Hitze mit Gepäck sehr anstrengend wird, bekomme ich auf meinem vierzig minütigen Fußweg einen guten ersten Eindruck von Posadas.
Als ich bei meinem Hostel ankomme bin zunächst überglücklich, dass es existiert und mich nicht nochmal das gleiche Schicksal wie in Salto ereilt. Schnell wird mein Glücksgefühl allerdings von meiner Müdigekeit daran erinnert, dass sie diese nun wieder an der Reihe ist. Die Stadt ist ziemlich hügelig und ich habe sowohl Entfernung als auch Hitze unterschätzt. Gerne hätte ich erst geduscht und mich dann ins Bett geschmissen, doch es ist noch Vormittag und mein Bett ist noch nicht bereit. Ehe ich mich versehe, schlafe ich innerhalb von wenigen Minuten auf dem Sofa neben der Rezeption ein.
An diesem Tag verlasse ich das Hostel nicht mehr. Da ich nichts sauberes mehr zum Anziehen habe, nutze ich die Gelegenheit und wasche alle Kleider per Hand. Und wenn ich alle sage, dann meine ich das auch so. Den restlichen Tag laufe ich deswegen nurnoch in Badehose und Flip-Flops herum.
Am Abend schlafe ich ziemlich früh ein und werde nachts auf Grund eines Donners aus meinen Träumen gerissen. Gewitter ist gar nicht gut. Ich brauche einen kurzen Augenblick um die Situation zu erfassen und renne dann los. Ich habe meine Kleider zum trocknen auf die Dachterasse gehängt. Vermutlich waren sie zwischenzeitlich mal trocken, doch nun sind sie nasser als denn je. Ich brauche also einen neuen Platz für meine Kleider und schlage zwei Fliegen mit einer Klappe. Trockene Kleider und Dunkelheit – ist das nicht gut?
Am nächsten Tag geht es mir deutlich besser. Da ich mit meinem Blog schon sehr weit hinterher hänge, nutze ich den Tag, um ein wenig zu schreiben. Am frühen Abend gehe ich dann auf eine größere Runde durch die Stadt.
Posadas zählt knapp dreihunderttausend Einwohner und ist damit gar nicht so klein. Von meinem Hostel laufe ich bis zum Ufer des Río Paraná und schlendere lange die Uferpromenade entlang. Von hier gibt es eine Brücke über den Fluss, welche damit einen der wenigen Grenzübergänge nach Paraguay darstellt.
Die Stadt auf der anderen Seite des Flusses heißt Encarnacion. Wenn man sich den Grenzverkehr auf der Brücke ansieht, wird einem schnell klar, welches Land in der internationalen Hierarchie höher angesiedelt ist. Von meiner Seite nach Paraguay läuft der Verkehr flüssig durch und in der entgegen gesetzten Richtung scheint sich überhaupt nichts zu bewegen. Paraguay ist für seinen vielen Schmuggel bekannt und ich gehe mal auf Grund der Verkehrslage davon aus, dass die argentinischen Behörden allemal zu tun haben.
Geht man die Costanera ein Stückchen weiter entlang, findet man die beeindruckende Statue von Andrés Guazurary. Wie jetzt, euch sagt der Name überhaupt nichts? Na gut, dann muss ich es euch eben erklären. Zwischen 1811 und 1822 war dieser Mann der Gouverneur der Provinz Misiónes, von der Posadas auch damals schon die Hauptstadt war. Die Kontrolle der spanischen Krone über Südamerika begann mit der Mairevolution im Jahre 1810 zu bröckeln und es gab einen großen Zusammenschluss mehrerer Provinzen, welche ab diesem Zeitpunkt faktisch unabhängig waren. Die revolutionierten Gebiete schlossen sich zu den Vereinigte Provinzen des Rio de la Plata zusammen, woraus heute Uruguay, Argentinien und Peru hervorgegangen sind. Zu der Zeit, in der sich die Nationalstaaten formten, wurde Misiónes Argentinien zugesprochen, doch auch Paraguay und Brasilien erhoben Gebietsansprüche und so blieb die Provinz vorerst selbständig. Damals besetzte Andrés Guazurary dessen obersten Posten und ist somit bis heute der einzige Gouverneur inidigener Abstammung. Er war der Spross einer Guaraní-Familie, welche heute noch in Paraguay die ethnische Mehrheit stellen. Damals galt dies auch für Misiónes und so beanspruchte Paraguay diese Provinz für sich, nachdem Argentinien 1830 die Kontrolle übernommen hatte. Zwei mal marschierten die Paraguayer dort ein und wurden schließlich 1870 durch einen hinterhältigen Pakt zwischen Brasilien und Argentinien für immer daraus verbannt.
Wenn euch die kleine Geschichtsstunde gefallen hat, dann gebt eurem Dank bitte mit einer kleinen Spende an Wikipedia nachdruck. Ich hatte natürlich auch keine Ahnung, bevor ich mich informiert habe.
Ich setze meine Runde fort und habe am Ende ein gutes Bild der Stadt gewonnen. Von der Uferpromenade entferne ich mich irgendwann, um etwas Höhe zu gewinnen. Die Straßen dieser Stadt sind recht großzügig angelegt, was den Effekt hat, dass Posadas trotz seiner Größe einen entspannten Eindruck auf mich macht. So schlendere ich also durch die Straßen und lasse mich einfach überraschen.
Auf dem Rückweg statte ich dem Hauptplatz noch einen Besuch ab und muss ein ums andere Mal feststellen, dass das Leben der Leute hier deutlich öffentlicher stattfindet als bei uns. Man kennt die Plaza-Kultur vielleicht aus Italien und ähnlich gehen die Leute auch hier abends einfach vor die Tür, um sich an öffentlichen Plätzen zu treffen. Alle sind sie da von jung bis alt. Die einen Unterhalten sich und trinken Mate, die anderen spielen mit ihren Kindern und es gibt sogar eine Gruppe Jugendlicher, die eine Freestylerap Battlerunde austrägt. Leider reicht mein Spanisch noch nicht aus, um alles zu verstehen, aber die Jungs sind gut. Ich setzte mich einen Augenblick und sauge die lebensfrohe Energie, die mich umgibt, einfach in mich auf.
Als ich zum Hostel zurückkehre, ist die Sonne bereits untergegangen und ich bereite mich für den nächsten Tag vor. Morgen möchte ich wieder weiterreisen. Eine Sache muss ich allerdings noch loswerden: Wer die Katze zuerst findet, hat gewonnen.
Hi Remi, im Bett Nr. 5. Weiterhin eine gute Reise, konnte mir die Fahrt mit dem singenden Bierkraftfahrer sehr gut vorstellen. Gruß Jutta
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Hi Jutta,
Meinst du damit eines der Regale? Dort ist die Katze nicht…
Grüße
Rémi
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Auf dem hdy…. Habe ich verloren, keine Katze gefunden
. … Oder ist es die linke Zeichnung, als katzenrucken ?
Gebe nicht auf, … Werde noch auf dem grossen Bildschirm suchen !!
Zum stillstehen in der schule: ich musste als Kind fast 10 Jahre es tun… Sogar 3 , später 2 mal am Tag mit 15 war ich erlöst, als ich in die öffentliche Schule in der stadt ging und da erlebte ich den unterschied !!! .
Ich empfand es damals als nicht so schlimm…. Wir haben allerdings religiöses zeug gesprochen , keine Heimat Parolen oder Hymnen … Aber macht es einen Unterschied?
positiver Effekt: wir konnten danach ruhig in den räumen einmarschieren. Ein Segen für die Lehrer…und für mich, weil ich die zeit hatte runterzukommen, vor dem Unterricht. Hätte sonst vermutlich nix mitbekommen ! Und es schließt zusammen wenn du im regen stehst!!!
aber die Gebete und co… Alles vergessen, alles in den Wind gesungen , aber geschadet hat es mir eher nicht!allerdings war es irgendwann genug!! Im Gymnasium später ( in fr nur die letzten 3 Jahre zum abi), lief es dann so wie du es vermutlich kennst, … Erste 1o Minuten chaos….bis alle ruhig sind.
So viel dazu !
Bisous…
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Hallo Mama,
Das wusste ich nicht. Da habe ich mal wieder was gelernt, danke 🙂
Grüße
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même sur grand écran.. pas de chat …
par contre j’ai trouvé, chose étonnante, une pomme, en haut de ton lit , sur le montant du lit près du mur , et qui tient le linge qui sèche!!
très original !!! :-))
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Ça c’est de l’art ! 😉
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Du vrai!!!!
Mais CE chat, il est où, alors?
Pas tombé dans les chutes d iguazu, j’espère!!!
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Dans la dernière photo 😉
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